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NEUFCHÂTEL, Nicolaus, gen. Lucidel(1525/27 Grafschaft Bergen - 1590)
Porträt des Heinrich Wolff (1520 - 1581)
Öl/Leinwand. Unsigniert, links oben Datierung mit Zusatz "Aetatis 42", verso auf Doublierleinwand falsche Zuschreibung des Dargestellten. Datiert: 1562.
88 x 64 cm. Gerahmt & hinter Glas: 105 x 81 cm.
Qualitätvolles Bildnis des Nürnberger Arztes im pelzverbrämten Mantel mit goldener Kette, Ring und detailliert gemaltem Bart. Es handelt sich wohl um das Pendant zum Frauenbildnis Neufchâtels im Philadelphia Museum of Art, welches die Frau Heinrich Wolffs zeigt. Leinwand doubliert.
Nicolaus Neufchatel: Niederländischer Maler, Schüler P.C. van Aelst in Antwerpen seit 1539. Verließ die Niederlande als überzeugter Calvinist und kam 1561 über Umwege nach Nürnberg. Er etablierte sich im Nürnberger Patriziat schnell als beliebter Porträtmaler. Seit 1793 verliert sich seine Spur. Bei diesem Portrait handelt es sich um eine spannende (Wieder-)Entdeckung: Hinweise auf das Portrait und den Maler gibt es in schriftlicher Form schon ein Jahr nach der Entstehung durch den Briefwechseln des Dargestellten mit seinem Bruder. Der porträtierte Heinrich Wolff war einst ein bekannter Nürnberger Alchemist, der mit wichtigen Persönlichkeiten seiner Zeit wie Nostradamus im Austausch stand. Das Gemälde verweilte seit seinem Ankauf in die Zähringer Bildnissammlung und wurde 1693 im Sammlungsbestand der Markgrafen zu Baden-Baden belegt. Aufgrund der starken Übermalung und einer falschen Zuschreibung (auf die Doublierleinwand wurde der falsche Name übertragen) kam es auf den Kunstmarkt. Hier kauften es 2003 die derzeitigen Eigentümer. Nach intensiven Recherchen sowie technischen und stilistischen Analysen, u.a. in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Germanischen Museum und dem Verfasser der Dissertation über den Porträtierten, Dr. Wolfram Brechtold, konnte das Gemälde dem bekannten Altmeister Nicolaus Neufchâtel zugeordnet werden. Dank der fachgerechten Restauration und Abtragung der früheren Übermalung erscheint nun die hohe Qualität und Pinselführung des Künstlers wieder in voller Geltung. Wolffs Schriftwechsel mit Berichten zum Auftragshonorar an Neufchâtel sowie seine Korrespondenzen mit Nostradamus sind im Stadtarchiv Nürnberg erhalten. Noch heute sind die Grabstätten von Dr. Heinrich Wolff und seiner Ehefrau Rosina Wolff auf dem Johannesfriedhof zu Nürnberg vorzufinden. Ein vollständiger Restaurierungsbericht, die detaillierte Geschichte der Wiederentdeckung & Provenienz (inkl. einiger Schriftwechsel), sowie Fachliteratur und Röntgenaufnahmen des Gemäldes sind verfügbar und können bei Interesse eingesehen werden. Über diesen Link sind Informationen zur Restaurierung abrufbar (Stand 08.10.2020) https://kunstkonservierung.de/restaurierung/leinwand/gemaelderestaurierung/.
Literatur: Thieme/Becker; abgebildet in: Kirchner, G.F.: Zähringer Bildnissammlung im neuen Schloss zu Baden-Baden, Karlsruhe 1958, S. 157, Nr. 783, Tafel 46; Ein Mezzotinto von Georg Fennitzer nach dem Gemälde ist abgebildet in: Brechtold, W.: Dr. Heinrich Wolff (1520 - 1581). Inaugural-Dissertation. Würzburg 1959, S. 208 sowie in: Renner, A.M.: Die Kunstinventare der Markgrafen von Baden-Baden. Bühl-Baden 1941, S. 211.
Provenienz: 1693 Ankauf in die Zähringer Bildnissammlung. Verbleib in der Sammlung der Markgrafen zu Baden-Baden (Kunsthalle Karlsruhe). 2003 Erwerb des jetzigen Besitzers beim Auktionshaus Kaupp (Privatbesitz).